August Schwetje

Text: Yven Hartmann

August Schwetje wurde im Jahr 1894 geboren und gehörte bis 1919 der SPD an, von welcher er in die USPD wechselte und nach deren Auflösung wieder der SPD beitrat. 1923 wurde er allerdings aus dieser ausgeschlossen. 1929 trat er dann der KPD bei, wurde gegen Ende 1932 aber „wegen Meinungsverschiedenheiten mit Parteifunktionären“ auch aus dieser ausgeschlossen.

Ungeachtet seiner Parteiausschließungen blieb Schwetje bis zur Machtergreifung der NSDAP 1933 Mitglied der Revolutionären Gewerkschafts-Opposition (RGO), in der er lange Zeit das Amt des Politischen Leiters für Hildesheim innehatte. Zudem war er Sprecher des Hildesheimer Erwerbslosen-Ausschusses.

1933 schloss sich Schwetje zusammen mit Gustav Voß, dem Agitprop-Leiter der KPD in Hildesheim, einer Gruppe der Strasserschen „Schwarzen Front“ oppositioneller Nationalsozialisten an, die etwa fünf Personen um den Hildesheimer Konditormeister Hugo Kuppe umfasste. Hierfür saß Schwetje zusammen mit Voß von Juni bis Ende August 1933 in Untersuchungshaft, weshalb beide nicht an dem Druck der Flugschriften durch die Gruppe um Gustav Hoppe, Anton Lamek und Heinrich Bode beteiligt waren. Nachdem die meisten Mitglieder dieser Gruppe von der Gestapo verhaftet wurden, regte Schwetje wohl zu Weihnachten 1933 eine Sammlung für deren Angehörige an, an welcher sich auch Voß und Georg Heitmann beteiligten und die scheinbar in Tradition der Roten Hilfe eine rein kommunistische Initiative darstellte, von deren Erlös die Familien der inhaftierten Sozialdemokraten aber nicht ausgeschlossen wurden. Allerdings kam es wegen unregelmäßiger Verteilung der Gelder unter den betroffenen Ehefrauen wohl zu Streitigkeiten, weshalb die nächste Sammlung besser durchorganisiert werden sollte.

Im Sommer 1934 erhielt Schwetje eine Anstellung als Ausfahrer bei der Kohlenfirma Mehring und Krüger. Hier nahm er engeren Kontakt zu seinem früheren RGO-Kollegen Georg Meyer auf, der ein Stadtteilkassierer für die Gewerkschaft gewesen war. Beide trafen sich häufig mit Gustav Voß und beschlossen zusammen mit diesem im Oktober 1934 eine weitere Spendensammlung, zur Unterstützung der Kinder der politischen Häftlinge, zu organisieren. Schwetje beauftragte Voß hierfür sechs Sammelbüchsen aus Zigarettenbehältern zu fertigen, welche dann neben Schwetje, Voß und Meyer noch an den ehemaligen Hildesheimer USPD-Vorsitzenden Hubert Schaare und den Sozialdemokraten Wilhelm Heitmann (Vater von Georg Heitmann), der auch seinem Parteigenossen Gustav Hoppe eine Büchse zukommen ließ, gingen. Hauptsammler waren Meyer (vor allem bei RGO Mitgliedern), Hoppe (vor allem bei SPD Mitgliedern) und Heitmann, der auch eine ehemalige Konsum-Filialleiterin hierfür gewinnen konnte. Insgesamt kamen mindestens 40 bis 50 Reichsmark zusammen.

Im Mai 1935 beschlossen Schwetje, Voß und Meyer nach längeren Vorgesprächen die Gründung einer strukturierteren Organisation mit Mitgliedskarten, festen Monatsbeiträgen und Beitragsmarken. Schon 1932 hatte Schwetje zu anderen Zwecken von Voß rote, mit dem Sowjetstern versehene Karten erhalten, welche nun hierfür benutzt wurden. In seinem Werbeatelier stellte Voß zudem grüne Karten für Sympathisanten und Kandidaten und weiße Beitragsmarken her. Im Sommer des gleichen Jahres schlossen sich auch Gustav Hoppe und Wilhelm Heitmann und im Herbst der Arbeitsamt-Angestellte Adolf Berger der Gruppe an. Weiterhin besaßen Hubert Schaare und vermutlich auch der Klempner und Schauspieler Oskar Klingenberg rote Mitgliedskarten. Der monatliche Beitrag lag bei einer Reichsmark. Im September 1935 übernahm Schwetje von Meyer die Kassenführung und gab diese dann im Januar 1936 an Adolf Berger ab. Mit dem gesammelten Beitragsgeld sollte im April 1936 ein Rotaprint-Abzugapparatt zur Erstellung neuer Flugschriften mitfinanziert werden, der von Voß wohl auch gekauft wurde. Obwohl Schwetje Kontakt zu Hannoveraner Kommunisten hielt, scheint er von diesen keine hierfür infrage kommenden Schriften erhalten zu haben. Unabhängig davon fand 1935 auch wieder eine Sammlung für die Familien der Häftlinge statt, bei der sich Wilhelm Heitmann besonders hervortat und noch weitere ehemalige Konsum-Filialleiter mit ins Boot holen konnte.

Über Georg Meyer und dessen Freund, dem Zimmermann Stanislaus Kapinos, traf Schwetje Elisabeth Borchers, die Tochter des ehemaligen Hildesheimer Bürgervorstehers und ADGB (Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund) Geschäftsführers Adolf Borchers, welche im Spätsommer oder Herbst 1935 aus Amsterdam, wohin sie und ihr Vater emigriert waren, nach Hildesheim kam. Hierbei kam es unteranderem zu einem Streit zwischen ihr und Schwetje über die Rolle Adolf Borchers bei einem Hafenarbeiterstreik im Jahr 1932. Außerdem stellte Elisabeth Borchers die Überweisung von Geld zur Unterstützung der Häftlinge in Aussicht und willigte auf Schwetjes Bemühen hin ein, illegale Schriften aus den Niederlanden an eine Deckadresse in Hildesheim zu senden. An diese Adresse, die von Kapinos‘ Nachbarn Anton Schremmer, gingen dann, mit Umweg über Bodenbach an der Grenze zur Tschechoslowakei, bis zum Juli 1936 auch Exemplare der Amsterdamer „Gastwirtsgehilfen-Zeitung“, einem illegalen Periodikum, das der ehemalige Vorsitzende des Zentralverbands der Hotel-, Restaurant- und Caféangestellten, Fritz Saar (der diesen Verband als „politische Kampforganisation“ wieder aufbauen wollte), in Amsterdam druckte. Diese Sendungen sollten tragischer Weise einen großen Teil zu den Verhaftungen der Hildesheimer Widerständler beitragen, da die Gestapo in Dresden Bruno Feller, den Verteiler der Zeitung, verhaften und später seine Versandliste erlangen konnte.

Seit Anfang 1936 traf sich der Kern der gebildeten Organisation zu Schulungsabenden, deren Wortführer August Schwetje war und auch eine illegale Maifeier wurde veranstaltet. Ein gemeinsames schriftlich festgelegtes politisches Programm, das Schwetje zusammen mit Voß und Hoppe ausarbeiten wollte, kam durch zu große Meinungsverschiedenheiten zwischen den Sozialdemokraten und Kommunisten allerdings nicht zustande. Auch Erich Braun trat nach seiner Haftentlassung am 28.2.1936 unteranderem mit Schwetje in Kontakt.

Neben Braun selbst wurden vom Herbst 1936 bis zum Frühjahr 37 unteranderem auch August Schwetje, Gustav Hoppe, Georg Meyer und Gustav Voß, sowie die gesamte Familie Heitmann verhaftet (einer der ausschlaggebenden Gründe hierfür war besagte Versandliste für die „Gastwirtsgehilfen-Zeitung“). Im anschließenden Prozess wurde Schwetje zu einer hohen Zuchthausstrafe verurteilt.

Die Spendensammlung wurde auch im Jahr 1936 fortgesetzt. Gerade auch die Kinder von Gustav Hoppe, dessen Frau Anfang des Jahres verstorben war und um die sich seit seiner Haftung seine Schwester kümmerte, sollten unterstützt werden.


Quellen:
Dieter Schmid, Einheitsfront von unten? Der organisierte Widerstand aus der Arbeiterschaft in Hildesheim 1933–1937, Seite 121–130, 135 Hildesheimer Jahrbuch Für Stadt und Stift Hildesheim, Band 63, Hildesheim 1993