Text: Klaus Schäfer
Nach dem schweren Bombenangriff am 22. März 1945 diente die Christuskirche Hildesheim als Lager für ausgebombte ausländische Zwangsarbeiter. Vom 23. März 1945 bis wenige Tage nach dem Einmarsch der Amerikaner am 7. April 1945 waren hier 150 bis 200 Ausländer, Holländer, Italiener, Franzosen, Polen und Russen, untergebracht. Die Bänke waren herausgeräumt wurden. Es gab keine Toiletten, keinen Waschraum, keine Putzmittel und keine Decken. Die Zwangsarbeiter mussten auf den kalten Fußboden campieren. Entlang der Kirche wurde eine Rinne gegraben, die als Toilette diente.
Viele von ihnen waren krank und verletzt. Doch es gab weder Verbandsmaterial noch eine ärztliche Versorgung.
Die arbeitsfähigen Männer wurden von den Wachen zu Aufräumarbeiten in der Stadt eingeteilt. Dort erhielten sie ihre kargen Verpflegungsrationen. Die verletzten und kranken Menschen in der Kirche erhielten einmal täglich eine noch dürftigere Ration.
„Die Kranken lagen zwischen den Toten und die wurden hinter dem Altar weggelegt„… so schildert der niederländische Zwangsarbeiter Hermann Hermans die Situation in der Kirche. In den Berichten der niederländischen Zwangsarbeiter wird immer wieder der unvorstellbare Dreck innerhalb der Kirche erwähnt.
Die holländischen Zwangsarbeiter beschafften sich Stroh. Dies führte zu Streit mit anderen Zwangsarbeitern, die dieses Stroh für sich beanspruchten.
Durch Betteln und Durchstöbern der zerstörten Häuser versuchten die Gesunden, Nahrung für ihre kranken Leidensgenossen zu beschaffen. Dennoch verschlechterte sich der Gesundheitszustand vieler Holländer. Zwei Männer begaben sich auf die Suche nach einem Geistlichen. Sie kamen mit dem Pfarrer der Maurituskirche zurück. Dieser spendete die Sterbesakramente und vermittelte Hilfe durch das Bernward-Krankenhaus. Vier von den Schwerkranken wurden dort hin verlegt.
Eine Bauersfrau versorgte einige der Holländer mit Lebensmitteln. Später gab sie vier niederländischen Zwangsarbeitern bis zum Kriegsende Arbeit Unterkunft und Verpflegung auf ihren Hof.
Der niederländisch Zwangsarbeiter Hermann Hermans berichtet, dass einige Tage nach der Befreiung durch die Amerikaner sechs holländische Zwangsarbeiter ins Bernward-Krankenhaus eingeliefert wurden. „Nie habe ich Menschen gesehen, die in einen erbärmlicheren Zustand waren als sie: verhungert, abgemagert bis auf die Knochen. Ihre Kleider sind grau und gleichsam beweglich durch die Läuse. Das Haupthaar ist steif von Nissen. Kein Quadratzentimeter Haut ist frei von Wunden, verursacht durch das Kratzen. Total erschöpft sind sie; nicht instande, sich wie denn auch, gegen das Ungeziefer zu wehren. Das Leben strömt buchstäglich aus ihnen weg. …“ so Hermann Hermans in seinen Erinnerungen.
Trotz aller Fürsorge und Pflege starben fünf innerhalb weniger Tage.
Weiterlesen in:
Hermann Hermans, „Ab und zu denke ich noch an diese Tage…“ in:
Hildesheimer Jahrbuch Band 67
Hildesheim 1995, S. 257-299