Der Überfall auf das Gewerkschaftshaus am 4. April 1933 · Hildesheim

Text: Klaus Schäfer

Das Gewerkschaftshaus in Hildesheim wurde dreimal besetzt. Die erste Durchsuchung durch SA und Stahlhelm am 13. März 1933 verlief noch vergleichsweise „friedlich“, da die Polizei Gewalttätigkeiten seitens dieser Gruppen verhinderte. Heinrich Hillebrandt, der damalige Vorsitzende der Hildesheimer Ortsgruppe des Reichsbanners, wurde für zwei Tage inhaftiert.

Der zweite dieser Vorfälle, der sich am Abend des 4. April 1933 abspielte, ist durch ein extrem gewaltsames Vorgehen der Täter gekennzeichnet. Am 4. April 1933 fahndeten zwei Goslarer SA-Leute in Hildesheim nach dem untergetauchten Redakteur der sozialdemokratischen Harzer Volkszeitung, Hans Pasch. Man vermutete, dass er bei Mitarbeitern des Hildesheimer Volksblattes Unterschlupf gefunden hat. Nach ergebnisloser Suche in der Redaktion des Volksblattes holten sich die beiden SA-Männer Unterstützung durch Bürgermeister Schmidt. Der glaubte, dass zwei Redakteure des Hildesheimer Volksblattes, Erich Bruschke und Moltke Nordström, etwas über den Aufenthalt Paschs wissen könnten. Beide befanden sich an diesem Abend im Gewerkschaftshaus. Dort tagte zu dieser Zeit der Vorstand des Reichbanners, etwa 50 Personen. Gegen 21 Uhr erschien Schmidt in Begleitung der SA-Männer.  Nach kurzer Unterbrechung durfte die Versammlung zunächst fortgesetzt werden. Erich Bruschke und Moltke Nordström wurden zum Verhör abgeführt.

Später kehrte Schmidt schließlich in Begleitung von sechs Polizeibeamten zurück, jedoch ohne die Redakteure. Der Hälfte der Teilnehmer wurde erlaubt, nach Haus zu gehen. Danach entfernten sich Schmidt und die Polizeibeamten wieder. Zu dieser Zeit wimmelte es bereits im Gewerkschaftshaus von Mitgliedern der SA und SS. Auch die Straßen rund um das Haus wurden von ihnen abgesperrt.Schließlich zwangen die SS-Leute die Teilnehmer, in einer Reihe Aufstellung zu nehmen. Es sollten zunächst „anständige Leute“, z.B. Kriegsveteranen, aussortiert werden. Der SS-Mann Max Dorn holte die Übrigen einzeln heraus und ließ sie von den anderen SS-Leuten verprügeln.

Drei der Betroffenen wollen gesehen haben, dass Heinrich Schmidt in einem Hauseingang auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Aktion beobachtete und die Täter zusätzlich anfeuerte. Er betrat den Saal erst wieder, als dort nur noch Heinrich Hillebrandt schwer verletzt auf dem Boden lag. Sämtliche Opfer waren so übel zugerichtet, dass sie noch wochenlang pflegebedürftig waren. Das Reichsbannermitglied Frömke erlag wenige Tage nachdem Überfall seinen schweren Verletzungen.

Vor der Prügelaktion, noch während der Versammlung, wurden die Redakteure Bruschke und Nordström auf dem Polizeirevier verhört. Während dieser Verhöre wurden sie schwer misshandelt. Als Folge erlitt Moltke Nordström einen Nervenzusammenbruch, der eine permanente halbseitige Lähmung nach sich zog. Nach den Verhören, die trotz der Gewaltanwendung erfolglos blieben, verbrachten die Redakteure schwer verletzt die Nacht in ihren Zellen und wurden erst am nächsten Morgen entlassen.

Am 2. Mai 1933 wurden schließlich die bisherigen Gewerkschaftsfunktionäre, darunter auch Heinrich Hillebrandt, verhaftet und Fahnen und sonstiges Gewerkschaftseigentum beschlagnahmt. An die Stelle der Gewerkschaften trat nun reichsweit die Deutsche Arbeitsfront.

Der Prozess gegen die Beteiligten an diesen Ausschreitungen fand im Oktober 1947 in Hildesheim statt. Von den 12 Angeklagten wurden 11 verurteilt. Das Strafmaß für die SS-Männer lag zwischen neun Monaten und vier Jahren Zuchthaus. Schmidt bekam als Verantwortlicher sechs Jahre Zuchthaus, Dorn als einer der Haupttäter vier Jahre und sechs Monate Zuchthaus.


Weiterführende Literatur:
Geschichte der Hildesheimer Arbeiterbewegung
Hrsg.: Deutscher Gewerkschaftsbund
Kreis Hildesheim-Alfeld, Hildesheim 1995

Tobias Deterding, Die Rache der Sieger in:
Hildesheim im Nationalsozialismus – Aspekte der Stadtgeschichte
Herausgeber Hans-Dieter Schmid, Hildesheim 2002
Das Gewerkschaftshaus des ADGB