Familie Rosenblatt-Rosenberg

Text: Axel Christoph Kronenberg

Vormerkung:
Seit 1894 lebte in Lamspringe die jüdische Familie Rosenblatt-Rosenberg. Sie besaß hier in der Hauptstraße ein Textilgeschäft und war angesehen. Mit dem Aufkommen des Nazi-Terrors im Jahre 1933 gegen die jüdischen Bewohner wurden die Rosenbergs zunehmend ausgegrenzt, gemieden, boykottiert und verfolgt. Sie mussten Jahre psychischen Drucks, verbaler Bedrohungen ausstehen und um ihr Leben fürchten. Es gelang ihnen nicht mehr, auszuwandern, sondern die vier Personen fanden den Tod in verschiedenen Konzentrationslagern.

Leben in Lamspringe
Im Jahre 1894 eröffnete Moses Rosenblatt ein Textil- und Einzelhandelsgeschäft in Lamspringeund pachtete dafür das Haus Hauptstraße 27. 1908 erwarb er ein Haus von Schelper in der Hauptstraße 35, das ganz in der Nähe lag und verlegte sein Geschäft dorthin. Moses Rosenblatt wurde am 4. Juni 1861 in Beiseförth (Schwalm-Eder-Kreis) als Sohn eines Viehhändlers geboren. Er war mit Frieda Goldschmidt verheiratet, die am 14. Mai 1870 in Mühlbach bei Homberg in Hessen geboren worden war.
Aus der Ehe Frieda und Moses Rosenblatt gingen vier Kinder hervor. Die Tochter Else, geboren am 7. Oktober 1899 in Lamspringe, verheiratete sich am 31. Juli 1926 in Lamspringe mit dem Kaufmann Max Rosenberg, geboren am 1. Januar 1882 im ostpreußischen Schmallelingken an der Memel. Aus der Ehe gingen die beiden in Lamspringe geborenen Kinder hervor: Edith, geboren am 4. Oktober 1927 und Werner, geboren am 17. August 1929.
Else Rosenblatt war ein Mädel mit langen blonden Zöpfen. Sie ging in Lamspringe zur evangelischen Volksschule und war eine sehr gute Schülerin. Sie blieb als einziges Kind des Moses Rosenblatt und seiner Frau Frieda in Lamspringe. Alle Rosenbergs bekamen 1938, wie auch alle anderen Juden, zwangsweise jeweils den zusätzlichen Vornamen Sara bzw. Israel verordnet.
Am Abend des Mittwoch, dem 9. November 1938, steigerte sich die Verfolgung der jüdischen Bürger auch in Lamspringe so, dass es zu der von der Reichsregierung angeordneten berüchtigten Reichspogromnacht kam. Die Ausschreitungen gegen die jüdischen Bürger und ihre Geschäfte in Lamspringe kulminierten um 2 Uhr dahingehend, dass die Schaufenster der Geschäfte und der Wohnräume eingeschlagen wurden. Das Inventar wurde teilweise zertrümmert und auf die Straße geworfen. Max Rosenberg wurde am 10. November auf das Gemeindebüro im Bürgermeisteramt befohlen und dort inhaftiert. Aufgrund dieser Verfolgungen beschlossen die Rosenbergs im Jahre 1939 nach Palästina auswandern.
Der Weg in den Tod
Die Familie Max und Else Rosenberg zog am 5. September 1939 mit ihren beiden Kindern Edith und Werner nach Hannover, um von dort aus zu Elses Bruder Friedrich nach Palästina auszuwandern. Sie wohnten in der Minister-Stüve-Straße 2 mit zwei weiteren jüdischen Familien. Ihre Kinder Edith und Werner waren bereits seit dem 9. Dezember 1939 in der ehemaligen israelitischen Gartenbauschule in Ahlem bei Hannover – von ihren Eltern getrennt – untergebracht worden. Am 4. September 1941 mussten Max und Else in die Körnerstraße 41a in ein so genanntes „Judenhaus“ umziehen.
Die Familie Rosenblatt schaffte die Ausreise nach Palästina nicht mehr. Sie wurde mit anderen Juden nach Hannover zur Sammelstelle in Ahlem gebracht. Dort nahm man ihnen alle Wertgegenstände ab und transportierte sie zum Güterbahnhof nach Hannover-Linden, von wo sie am 15. Dezember 1941 in Eisenbahnzügen mit Viehwaggons in das Ghetto von Riga transportiert wurden. Von hier aus wurden sie im August 1944 in die Konzentrationslager Auschwitz, Buchenwald und Stutthof gebracht.
Der Vater Kaufmann Max Rosenberg (*1882) kam in das Konzentrationslager Buchenwald, wo er am 17. Februar 1945 kurz vor der Befreiung des Lagers im Alter von 62 Jahren starb. Der Sohn Werner (* 17. August 1929) kam in das Konzentrationslager Auschwitz, wo er am 12. Mai 1944 im Alter von fast 15 Jahren starb. Die Mutter Else Rosenberg, geb. Rosenblatt (* 7. Oktober 1899) kam mit ihrer Tochter Edith (* 4. Oktober 1927) in das Konzentrationslager Stutthof bei Danzig, wo sie am 5. Dezember 1944 45jährig und Edith 17jährig am 7. Dezember 1944 starb.
Im September 2013 wurden in Lamspringe vor dem ehemaligen Haus der Familie Rosenberg in der Hauptstraße 35 vier so genannte Stolpersteine zur Erinnerung verlegt.


Fotos:
Bild 1: Das Foto mit Edith und Werner Rosenberg wurde im Jahre 1931 aufgenommen. Es ist das einzige erhaltene Bild, das die beiden Rosenberg-Kinder in glücklichen Jahren zeigt. Foto von Jürgen Kühn, Bonn
Bild 2: Das am 9. November 1938 von Nazis zerstörte Textilgeschäft Rosenblatt von Else und Max Rosenberg in der Hauptstraße 35 (Foto: Axel C. Kronenberg)

Unterlagen:
Wiebke Schreiber, Juden in Lamspringe, Facharbeit im Leistungskurs Geschichte im Gymnasium Alfeld (Leine) 1988
Berichte von Kurt Brandt USA 2010-2013
Unterlagen von Evy Shaiber, geb. Brandt, wohnhaft in Israel. Erhalten im Oktober 2012 in Jerusalem.
– Berichte und Unterlagen von Elie Goldschmidt, Israel 2012 

Die Rosenberg Kinder Edith und Werner 1931 von Jürgen Kühn
Das am 9. November 1938 zerstörte Textilgeschäft Rosenblatt von Elke und Max Rosenberg in der Hauptstraße 35