Text: Markus Roloff
Der Hildesheimer Güterbahnhof wurde am 22. Februar 1945 durch einen alliierten Luftangriff schwer in Mitleidenschaft gezogen. Da das Schienennetz für die Deutsche Wehrmacht von entscheidender Bedeutung war, wurden schnellstmöglich Instandsetzungsarbeiten eingeleitet. Als zusätzliche Arbeitskraft bekam die Reichsbahn für Hildesheim 500 KZ-Häftlinge zugewiesen, die bei der Aufräumung helfen sollten. Die Juden, die aus einem Außenlager des KZ Groß-Rosen stammten, kamen am 1. März 1945 per Bahn über Bergen-Belsen nach Hildesheim. In den Akten wurden sie in Hildesheim als Außenkommando des KZ Neuengamme geführt. Der Einsatz der Juden auf dem Güterbahnhof wurde von Angehörigen des Hildesheimer Volkssturms überwacht. Diese sogenannte „Judenwache“ bestand aus ca. 100 Männern, die alle ein Gewehr und 10 Schuß Munition bekommen hatten. Die Arbeitszeit der KZ-Häftlinge dauerte 11,5 Stunden pro Tag. Sie mußten Gleise reparieren, Bohlen und Gleise tragen und Waggons entladen. In Folge ihres entkräfteten Zustandes brachen mehrfach am Tag Häftlinge unter dieser Belastung zusammen.
Einige Tage nach Ankunft des KZ-Kommandos erschien der damalige Kreisleiter der NSDAP in Hildesheim auf dem Güterbahnhof. Da der Volkssturm der Partei unterstellt war, ließ Kreisleiter Meyer die Männer der „Judenwache“ vor sich antreten. In einer Rede instruierte er die Männer für ihre Bewachungsaufgaben und das dazu nötige Verhalten gegenüber den Juden. Im Zuge seiner Ausführungen forderte er die Volkssturmmänner dazu auf, sich den Juden gegenüber rücksichtslos zu verhalten und auch vor dem Schußwaffengebrauch nicht zurückzuschrecken. Einige der Volkssturmangehörige ließen von den Worten des Kreisleiters nicht beeinflussen und gaben den Juden etwas zu essen. Allerdings befolgte zumindest einige der Männer dann schließlich doch Meyers Anweisungen. Vor allem Hermann Dettmer mißhandelte mehrfach Juden aus dem Außenkommando mit einem Holzknüppel oder seinem Gewehrkolben, bis diese das Bewußtsein verloren.
Ein junger KZ-Häftling wurde während des Arbeitseinsatzes auf dem Güterbahnhof erschossen. Der aus Ungarn stammende Jugendliche wurde dabei gefaßt, wie er sich in einem der Waggons etwas zu essen nahm. Die Volkssturmmänner brachten den Ergriffenen zu ihrem Vorgesetzten, dem Zugführer Albert Rosin. Dieser beriet sich kurz mit seinen Männern und entschloß sich dann dazu, den Jungen zu erschießen. Rosin zog seine Pistole und tötete den KZ-Häftling mit zwei Schüssen. Die anderen Juden mußten die Leiche danach in einem der Bombentrichter begraben.