Text: Hartmut Häger
Der Hildesheimer Rabbiner Joseph Schwarz wurde am 17. Februar 1906 als Sohn des Metzgers Hermann Schwarz und Rosalie, geb. Klein, in Korschenbroich geboren. Er war der Bruder von Leo und Albert Schwarz. Beide Brüder flohen 1937 nach Uruguay. Die Eltern wurden in der Schoah ermordet.
Von 1925 bis 1929 studierte er in Köln und in Breslau sowie von 1925 bis 1932 am Jüdisch-Theologischen Seminar in Breslau. Nach dem Examen wurde er im gleichen Jahr Rabbiner in Liegnitz (Legnica), Schlesien. Im Oktober 1936 wählten ihn die Hildesheimer Gemeinden einstimmig zu ihrem Landrabbiner. Schon am 1. September 1938 verabschiedete er sich wieder. Er hatte sich erfolgreich auf die neue Rabbinerstelle in Manila beworben, die erste auf den Philippinen überhaupt.
1936 heiratete Schwarz Anneliese Levy, geb. am 19. März 1914 in Bad Driburg. Ihre beiden Kinder Michael Leon (1943) und David (1946) wurden in Manila geboren. In Hildesheim wohnte die Familie in der Oldekopstraße 1 (1. Obergeschoss).
Die kurze Zeit in der jüdischen Gemeinde Hildesheim muss Schwarz vor allem als Leidenszeit erlebt haben. Viele Gemeindemitglieder wichen dem Druck des staatlich kodifizierten und gesellschaftlich zunehmend akzeptierten und praktizierten Antisemitismus und Rassismus durch Flucht aus. Aus seinem engeren Umfeld flüchteten der Gemeindevorsteher Dr. Eduard Berg am 21. Mai 1938 nach Holland, der Lehrer Hermann Einstein am 17. Januar 1938 in die USA, aus dem Engeren Ausschuss Leopold Fulder im April 1938 nach England. Die Zahl der Gemeindemitglieder hatte sich seit 1933 halbiert, durch Flucht ins Ausland, bei einigen auch durch Flucht in den Tod.
Auch seine Auswanderung nach den Philippinen war eine Flucht – und eine Folge der Fluchtbewegung. Die bis dahin amerikanische Kolonie hatte 1935 gerade den Status eines teilautonomen „Commonwealth der Philippinen“ erlangt, als die europäischen Flüchtlinge dort in immer größerer Zahl ankamen. Es gab in Manila bereits eine jüdische Gemeinde (Temple Emil Congregation), die aus etwa 250 sogenannten „Old Timers“ bestand, die vor allem aus den USA und Europa stammten und bereits seit Jahrzehnten dort wohnten. Bis 1939 vervierfachte sich die Gemeindegröße. Mit Hilfe des Hilfsvereins der Deutschen Juden (HDJ) schrieb die jüdische Gemeinde Manilas eine Stelle für einen Rabbiner aus, der konservativ, jünger als vierzig Jahre und verheiratet sein sollte und Englisch sprach. Joseph Schwarz bekam die Stelle. Im September 1938 ging er mit dem ersten Flüchtlingskontingent in Manila an Land. Im Mai 1939 holte er seinen Hildesheimer Kantor Joseph Cysner nach. Bei der Befreiung durch die US-Streitkräfte wurde Manila vollständig zerstört. Viele der Überlebenden wanderten in die USA aus, Cysner 1946 nach San Francisco, Schwarz im Juni 1949 nach Benton Harbor am Lake Michigan. Von 1949 bis 1971 war er dort Rabbiner am „Temple Beth-El“, ab 1971 am „Temple B‘nai Shalom“. Er war Präsident des jüdischen Gemeinderates von Berrien County, Leiter der Werbeaktion für israelische Staatsanleihen, Mitglied der Central Conference of American Rabbis, der „B‘nai B‘rith“ (zu der in Hildesheim die Hillel-Loge gehört hatte) und der Zionist Organization of America. 1962 wurde er mit der Ehrendoktorwürde des Hebrew Union-College in Cincinnati, einem reformorientierten Rabbinerseminar, ausgezeichnet. Zuletzt lebte er in Columbia, Howard, Maryland, wo er am 6. Januar 1992 starb. Seine Ehefrau Anneliese war ihm am 19. Oktober 1991 vorausgegangen. Im Juni 1983 hatten beide noch Hildesheim besucht.
Eine ausführliche Biografie enthält:
Häger, Hartmut (2019): Zum Wohl der Menschen und zur Ehre Gottes. Die Amtsträger der jüdischen Gemeinde in Hildesheim (1933-1942). Unter Mitarbeit von Lore Auerbach und Guy Stern. 1. Auflage. Hildesheim: Gerstenberg (Veröffentlichungen des Hildesheimer Heimat- und Geschichtsvereins, 7).