Text: Klaus Schäfer
Auch für die jüdischen Bürger in Sarstedt gab es schon kurz nach der Machtübernahme der NSDAP erste Einschränkungen und antijüdische Kampagnen. Die Vereinigung der Sarstedter Händler wurde gleichgeschaltet, ein jüdisches Vorstandsmitglied musste seinen Posten räumen. Zeitgleich erhielten einige Sarstedter Bürger anonyme Drohbriefe, in denen sie als „Judenfreund“ geschmäht wurden. Leider gibt es kaum Informationen über die Situation der Sarstedter Juden zu diesen Zeitpunkt.
Zu Beginn der 20er Jahre lebten 18 jüdische Bürger in Sarstedt. Die Schikanen gegen sie setzten sich fort. Mitte der dreißiger Jahre standen regelmäßig SA- und SS-Männer vor ihren Geschäften. Der Kaufmann Karl Neuberg gab sein Geschäft 1936 auf und zog in das Haus seines Bruders Robert Neuberg am Lappenberg 1.
Am 10 November 1938 gab es nur noch ein jüdisches Geschäft in Sarstedt. Wenige Tage vorher wurde Jauche gegen die Fensterscheiben gekippt. Mit dem Pogrom am 9. November begann auch in Sarstedt die offene Verfolgung. SA- und SS-Männer wüteten vor dem Haus der Familie Neuberg am Lappenberg. Die „arische“ Haushälterin soll sich laut Zeitzeugen schützend vor die Bewohner gestellt haben. Auch die Familie Aschenbrand wurde durch ihren Vermieter, Herrn Sürig, zunächst vor Schlimmerem bewahrt, da er sich den Eindringlingen entgegenstellte. Im März 1939 emigrierte die jüdische Familie Liebmann und wanderte nach Brasilien aus. Ihr Haus ging in den Besitz des Deutschen Reiches über.
Die verblieben Juden in Sarstedt wurden 1941 zwangsumgesiedelt und in Baracken in der Giesener Straße untergebracht. Ende 1941 oder Anfang 1942 begann die Deportation der jüdischen Bewohner Sarstedts. Mit der Straßenbahn erfolgte der Transport in das Außenlager der ehemaligen israelitischen Gartenbauschule in Ahlem. Von dort wurden sie weiter in die Ghettos oder Vernichtungslager im Osten verbracht. Einige kamen in das Konzentrationslager Theresienstadt. Rosa Traub starb hier 1942 im Alter von 73 Jahren, Dora Robens 1943 im Alter von 67 Jahren. Elsa Continho und Elisabeth Walter kamen ins Ghetto in Riga und gelten als verschollen.
Über den Verbleib und das Schicksal der anderen jüdischen Bürger aus Sarstedt gibt es keine Erkenntnisse.
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Sarstedt unterm Hakenkreuz
Verlag Gerstenberg – Hildesheim 2008