Text: Hartmut Häger
Der Verein der Ehemaligen und Freunde des Scharnhorstgymnasiums hat ein Forschungsprojekt initiiert, mit dem er, zusammen mit Schülerinnen und Schüler, den Lebensweg der ehemaligen jüdischen Schüler des Andreas-Realgymnasiums und seiner Rechtsnachfolger nachzuzeichnen versucht.
Unter Anleitung ihres Lehrers Julian-Jacob Clemens erforschten Schülerinnen und Schüler die Biographien von Erich Hornthal, Leopold Meyerhof und Ernst Carl Schlesinger. Die Facharbeiten sind verlinkt auf der Seite http://vernetztes-erinnern-hildesheim.de/pages/home/hildesheim/personen/opfer/erich-hornthal.php.
Hartmut Häger hat die „Hauptalben“ des Andreanums und und des Scharnhorstgymnasiums ausgewertet und in den Aufnahmejahrgängen 1880 bis 1913 und 1925 bis 1938 mindestens 49 jüdische Schüler gefunden, die das Andreas-Realgymnasium und seine Rechtsnachfolger besuchten. Acht von ihnen mussten die Schule zwischen 1933 bis 1938 verlassen. Die jüdische Religionszugehörigkeit mutierte ab 1933 zu einem Rassenmerkmal, das mit Ministerialerlass vom 23. März 1935 zur gesonderten Erfassung der betroffenen Schüler führte und am 15. November 1938 zum Schulbesuchsverbot. Da die Zugehörigkeit zur jüdischen Rasse über „das Blut“ nachgewiesen wurde, das über mindestens zwei Generationen „arisch rein“ zu sein hatte, musste auch ein evangelischer Schüler als „Halbjude“ die Andreas-Oberschule verlassen. Mit Hilfe der Online-Datenbank „Das Gedenkbuch des Bundesarchivs für die Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung in Deutschland (1933-1945)“ und der „Zentralen Datenbank der Namen der Holocaustopfer“ der Internationalen Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem konnte recherchiert werden, dass sieben ehemalige Schüler in der Schoah, der nationalsozialistischen Verfolgung und Ermordung der Juden, ums Leben kamen.
Als Ergebnis dieser Recherche wurde am 15. März 2017 in Anwesenheit des Hildesheimer Ehrenbürgers und Ehrenmitglieds des Vereins der Ehemaligen und Freunde des Scharnhorstgymnasiums eine Gedenktafel im Eingangsbereich des Scharnhorstgymnasiums enthüllt. Am 27. März verlegte Gunter Demnig vor dem Haupteingang sechs Stolpersteine. Einzelheiten zu beiden Ereignissen unter „Hildesheim – Erinnerungskultur„.
Am 26. Juli 2017 sichteten die ehemaligen Lehrer der Schule Julian-Jacob Clemens und Hartmut Juny sowie Hartmut Häger vom Vorstand des Ehemaligenvereins zwölf Bände der in der Schule noch vorhandenen Abgangszeugnisse (1896 bis 1947), fünf Bände mit den Abschriften der Reifezeugnisse der Jahrgänge 1919 bis 1943 sowie zwei Bände mit den Zeugnissen für den einjährigen (Militär-)Dienst der Jahrgänge 1906 bis 1918. Danach sind nun 98 jüdischen Schüler bekannt, darunter mit der „der Anstalt am 25.7.1918 zur (Reife-)Prüfung zugewiesenen“ Erna Reingenhain auch eine Schülerin. Nach Abgleich der Namen mit den Datenbanken wurden zu den bereits bekannten sieben ehemaligen Schülern Albert Blank, Sally Friedheim, Hugo Leon, Fritz Neuhaus, Kurt Palmbaum, Robert Schönenberg und Karl Stamm fünf weitere identifiziert, die in der Schoah, der nationalsozialistischen Verfolgung und Ermordung der Juden, ums Leben kamen: Herbert Davidson, Walter (Walther) Meininger, Richard Levi, Walter (Walther) Robens und Hans Wollberg. In der nebenstehenden PDF sind ihre Lebensläufe nachzulesen.