Text: Klaus Schäfer
Die Vereinigten Deutschen Metallwerke (VDM) wurden 1930 in Frankfurt gegründet, bereits 1934 nahmen die VDM -Halbzeugwerke GmbH Hildesheim am Römerring den Betrieb auf. In der Umgangssprache wurde es „Metallwerk“ genannt. Der Betrieb war von Anfang an auf die Rüstungsproduktion ausgerichtet, die VDM fungierten als Zulieferbetrieb für die Luftwaffe. In Hildesheim wurden Flugzeugteile produziert: Zylinderköpfe, Pumpenteile, Kurbelgehäuse, Ölwannen und Kleinteile für Flugzeugmotoren. Viele dieser Teile waren für die Daimler-Benz-Motoren DB-Motor 603 und 605, später auch für den Junkers-211 Motor bestimmt. In der Abteilung Räderwerk wurden Felgen für Flugzeugräder, Flugzeugfahrwerke und Luftschrauben hergestellt; darüber hinaus gehörten auch Tragflächenversteifungen zum Produktionsprogramm. In der Forschungs- und Entwicklungsabteilung wurden die Bruchstücke von abgeschossenen feindlichen Flugzeugen auf ihre Metall-Legierungen hin analysiert.
Im Frühjahr 1944 umfasste die VDM-Belegschaft mehr als 4000 Personen, von denen lediglich 43,8 % Deutsche waren. Die Mehrzahl waren ausländische Zwangsarbeiter aus den besetzten Ländern; die größten Gruppen stellten Russen, Polen, Franzosen und Italiener.
Der Hauptteil der ca. 900 italienischen Zwangsarbeiter kam aus dem „Lager 6001“ direkt am Betriebsgelände. Andere kamen aus dem Lager Lademühle, in dem vor allem Männer und Frauen aus Polen und der ehemaligen Sowjetunion untergebracht waren.
Der Alltag der ausländischen Zwangsarbeiter bestand aus harter Arbeit und der ständigen Suche nach etwas Essbarem. Zeitzeugen berichten von einem 12-Stunden-Arbeitstag in Wechselschichten. Sie mussten an sechs bis sieben Tagen in der Woche arbeiten. Eine dünne Suppe und ein Stück Brot waren oft das einzige, was sie in den hungrigen Bauch bekamen. Die häufigen Zählappelle, die bis zu viermal am Tag im Lager und am Arbeitsplatz durchgeführt wurden, zogen sich oft endlos hin.
Ein Zeitzeuge berichtete: „Besonders rücksichtslos war bei den VDM die Ausbeutung der russischen Ausländer und polnischen Frauen. Gespräche mit alten Kollegen offenbaren Scheußlichkeiten, die nur mit Hemmungen wiedergegeben werden können. In der Gießerei wurden zeitweise 12 – 14 jährige Mädchen aus Polen und der Sowjetunion zur Arbeit gezwungen, die über ihre Kräfte ging. Sie alle hatten gute Schulbildung und waren schwere Fabrikarbeit nicht gewohnt. Hinzu kam die mangelhafte Ernährung der jungen Frauen. Das Mädchen, von dem hier die Rede sein soll, war noch sehr jung. Sie half mit in der Kernmacherei. Der Vormann, dem sie beigegeben war, bemerkte eines Tages, dass von den Beinen des Mädchens Blut in den Aufbereitungssand läuft. Das Mädchen hatte seine Monatsblutung. Ringsum keine sanitären hygienischen Mittel, keine Arbeitsunterbrechung, keine Schonung. Der deutsche Kollege durchbricht die Sturheit der vorgesetzten Stellen und überwindet den Widerstand der Sanitäter, die in solchen Fällen nicht helfen sollen, weil es sich um keinen Notfall handelt. Er besorgt die notwendigen sanitären Mittel.“ 1
Die körperliche Misshandlung der Zwangsarbeiter war untersagt. Dennoch kam es während der Arbeitseinsätze in den Betrieben vor, dass gewalttätige Übergriffe verübt wurden.2
Hierzu sagte ein weiterer Zeitzeuge aus: „Ich war beschäftigt bei den VDM Werken Hildesheim seit dem 1. Januar 1938. Französische, Belgier und Holländische und Italienische Kriegsgefangene, und Polnische, Rumänische und Jugoslawische Zwangsarbeiter waren während des Krieges beschäftigt worden. Bei ungefähr 50 Fällen sah ich selber, wie S. diese fremden Arbeiter mit seinen Fäusten schlug, gewöhnlich nur für 1 bis 2 Schläge, oder trat sie in die Füße oder in ihren Hintern. Ich habe verschiedentlich öfters gehört, daß er Fremdarbeiter im Keller mit einem Gummiknüppel geschlagen hat, aber ich selber habe es nie gesehen.
An einem Fall sah ich wie S. einen polnischen Arbeiter schlug mit 6 oder 8 Schlägen, mit seinen Händen und Fäusten, bis der Mann gegen eine Maschine fiel.
Ich sah, wie ein polnischer Arbeiter, der blaue Streifen von Schlägen hatte, an seinem Nacken und Rücken, aber ich weiß nicht, wer dafür verantwortlich war.“ 3
Bei dem Bombenangriff am 22. März 1945 wurden Teile des VDM-Werkes zerstört.
Weiterlesen in:
„Schläge, fast nichts zu Essen und schwere Arbeit“, Hildesheimer Geschichtswerkstatt, Hildesheim 2002
1Teich, Hans, ebenda, Seite 61
2 Im Rahmen von Ermittlungen der Alliierten wegen Misshandlung von Zwangsarbeitern bei den VDM sind folgende Aussagen aufgezeichnet worden. In der Akte WO 309/399 „Schandelah Labour Camp: killing and ill-treatment of allied nationals“ befinden sich Auszüge zu den VDM-Werken, die offensichtlich nichts mit den Ermittlungen zum Außenkommando des KZ Neuengamme in Schandelah zu tun haben. Vermutlich sind sie dort wegen einer Namensgleichheit hineingeraten
3 Aussage von G. M. vom 16. Mai 1946