Wilhelm Heitmann

Text: Yven Hartmann

Wilhelm Heitmann wurde 1875 in Braunschweig geboren, war von Beruf Former, von 1910 bis 1912 und dann nochmals ab 1928 Mitglied der SPD, seit 1902 im Deutschen Metallarbeiter-Verband (DMV) organisiert und bis 1933 dessen Hildesheimer Vertrauensmann.

1934 hatte Heitmann nach langer Arbeitslosigkeit eine Anstellung in den Senkingwerken gefunden, wurde allerdings wieder fristlos entlassen, als er sich, begründet durch seine Tätigkeit als Gewerkschaftler, geweigert hatte an einer nachfeierabendlichen Betriebsversammlung teilzunehmen. Er bewohnte mit seiner Familie ein kleines Häuschen auf einem Laubengrundstück in der Triftackerstraße im Osten von Hildesheim. Hier lebten neben ihm, seiner Frau Gertrud und ihrem jüngsten Sohn Adolf auch der zweite Sohn Willi mit seiner Frau und ihren zwei Kindern, sowie auch noch eine Tochter samt Ehemann und Kindern. Einzig sein ältester Sohn Georg, seit 1928 Mitglied der KPD, hatte eine eigene Wohnung in Hildesheim, hielt sich aber dennoch öfters im Haus seiner Eltern auf. Auf Heitmanns Grundstück wurden viele Schriften, zum Beispiel der „Prager Vorwärts“ und die „Sozialistische Aktion“, die der Sozialdemokrat Gustav Hoppe nach der Verhaftung der Meisten Mitglieder seiner Flugblättergruppe vom Grenzsekretariat der Sopade (die Exilvertretung der SPD in Prag) in Kopenhagen erhalten und zu großen Teilen an Heitmann weitergeleitet hatte, verteilt. Nachweislich erhielten direkt oder indirekt etwa 20 Personen diese Schriften, ein Drittel dieser Abnehmer bestand dabei ungewöhnlicher Weise aus Mitgliedern der KPD und der RGO (Revolutionäre Gewerkschafts-Opposition) und somit aus Kommunisten. Heitmanns Grundstück bildete das wichtigste Kommunikationszentrum des Hildesheimer Arbeiterwiderstandes und neben dem Austausch und Verlesen illegaler Schriften wurden hier auch politische Besprechungen geführt und ausländische Radiosender (vornehmlich Radio Moskau, manchmal auch Straßburg) gehört, sowohl von der Familie Heitmann als auch von zahlreichen Besuchern. Zwei regelmäßige Gäste beim Hören der Sender und anschließender Diskussion der Inhalte waren der ehemalige Agitprop-Leiter Willie Vetter und Hans Schipper, beide Freunde Wilhelm Heitmanns und Mitglieder der RGO, sowie Kurt Heinze (ebenfalls RGO), der hier auch seine Kartoffeln lagerte und Heitmanns alter Bekannte Dietrich Dislich, der der SPD nahe stand. Zusätzlich fanden hier auch, teilweise als Gesellschaftsabende in Anwesenheit der Ehefrauen getarnte, Zusammenkünfte von bis zu 15 Sozialdemokraten und Kommunisten statt. Wilhelm Heitmann engagierte sich in den Jahren 1934 und 35 zudem stark in den Spendensammlungen für die Familien der inhaftierten Hildesheimer Widerständler, die 1933 durch den Kommunisten August Schwetje ins Leben gerufen wurden. Heitmann sammelte und spendete nicht nur selbst Geld, sondern konnte für die Sammlungen auch einige ehemalige Konsum-Filialleiter gewinnen, nämlich 1934 Elfriede Läufer und 1935 noch zusätzlich ihren Schwager Theodor Schmalfeldt, Berta Engelke und Karl Irrgang, welche er in die Versendung von Paketen an die Familien der Inhaftierten mit einbezog und sie auch dazu brachte selbst noch Waren hinzuzugeben.

Nachdem die Initiatoren der Sammlungen, die Kommunisten August Schwetje, Georg Meyer und Gustav Voß, sich dazu entschlossen hatten eine festere Organisation mit monatlichen Beiträgen, Mitglieds- und Beitragskarten zu formen, wurde auch Heitmann (genau wie Gustav Hoppe, der ebenfalls an den Sammlungen beteiligt war) Mitglied dieser und nahm auch an deren illegaler Maifeier teil.

Am 6.3.1937 wurde die gesamte Familie Heitmann von der Hildesheimer Gestapo verhaftet. Im Prozess vor dem in Hildesheim tagenden 3. Senats des Kammergerichts zwischen Mitte Januar und Mitte Februar 1938 wurde Wilhelm Heitmann zu fünf Jahren Zuchthaus (der höchsten in diesem Prozess verhängten Strafe), seine Frau Gertrud zu einem Jahr Gefängnis und einer der beiden jüngeren Söhne zu neun Monaten Gefängnis verurteilt. Der andere hier angeklagte Sohn wurde freigesprochen. Heitmanns ältester Sohn Georg wurde in einem späteren Prozess angeklagt und hier wohl zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt.


Quellen:
Hans Teich, Hildesheim und seine Antifaschisten, Seite 82, erschienen im Selbstverlag, Hildesheim 1979, dritte Auflage
Dieter Schmid, Einheitsfront von unten? Der organisierte Widerstand aus der Arbeiterschaft in Hildesheim 1933–1937, Seite 117–126, 135-137 Hildesheimer Jahrbuch Für Stadt und Stift Hildesheim, Band 63, Hildesheim 1993